Interview mit Tom Cartus

MedardKidz: Was ist Graffiti eigentlich?

Tom Cartus: Graffiti ist eine Kunst, die vor ein paar Jahrzehnten in Amerika begonnen hat und dann nach Europa übergeschwappt ist. Graffiti gibt es in dieser Form seit etwa 40 Jahren. Es ist eine Form, mit der Menschen Botschaften mitteilen. Es fing bei den Tags an, ging über die Writings bis hin zu den Characters, den großformatigen Bildern.

MedardKidz: Wie lange dauert es, ein Graffiti zu malen?

Tom Cartus: Das kommt darauf an, wie aufwendig ein Bild ist und wie viel Erfahrung die Malerin oder der Maler hat. Es gibt beim Graffiti die besondere Form des Throw up, das ist „hingeworfen“ an die Wand, das geht ganz schnell. Oft hat das dann auch einen illegalen Hintergrund. Es gibt auch die Tags, die einem geübten Graffiti-Künstler ganz schnell von der Hand gehen. Aber großformatige Bilder dauern natürlich lange. Also: Man kann ein Tag innerhalb von einer Minute machen, ein Throw up innerhalb von zehn Minuten. Man kann aber auch drei bis vier Tage an einem Graffiti malen.

MedardKidz: Was bemalen Sie alles?

Tom Cartus: Wir bemalen Leinwände und Papierbögen, auch Postkarten mit verschiedenen Techniken. Und wir bemalen ganze Wände, z.B. Mauern oder Garagenrückwände.

MedardKidz: Wann haben Sie damit angefangen?

Tom Cartus: Vor etwa dreizehn Jahren habe ich angefangen, professionell Graffiti zu malen.

MedardKidz: Warum machen Sie das?

Tom Cartus: Ich mache das als inneren Ausgleich. Wenn ich an der Wand oder auf Papier male, vergesse ich die Zeit um mich herum. Es tut mir gut, ich komme in ein inneres Gleichgewicht. Schön ist natürlich auch, wenn Leute kommen und sagen „dein Bild ist fett geworden“. Und es ist schön, den Menschen mit den Bildern ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

MedardKidz: Also, wenn das Jugendliche machen, dann können sie dabei Dampf ablassen, wenn sie z.B. zuhause Stress haben und beim Malen Ruhe finden?

Tom Cartus: Ja, das kann man so sagen. Es gibt noch eine wichtige Sache bei der StreetArt: Die Menschen wollen einfach die Welt verändern und gestalten, in der sie leben. Wenn du in der Stadt aus deiner Tür herauskommst, siehst du überall Werbung. Aber nicht das, was die Menschen selbst gemacht haben. Und nichts von dem gehört diesen Menschen. Deshalb nehmen Graffitimalerinnen und -maler oft Einfluss auf ihre Umgebung und verschönern sie, so wie es ihnen gefällt. Weil es IHRE Stadt ist.

MedardKidz: Ist das Graffitimalen beruflich oder Hobby?

Tom Cartus: Es ist beides. Da viele Jugendliche sich dafür interessieren, fließt es natürlich in meine Arbeit ein. Aber in meiner Freizeit ist es auch meine Leidenschaft.

MedardKidz: Wie haben Sie das gelernt?

Tom Cartus: Durch viel Übung und den Austausch mit anderen Menschen.

MedardKidz: Haben Sie so etwas wie Gegner oder Konkurrenten? Wenn Sie z.B. jetzt rausgehen und ne Brücke bemalt haben, dass da jetzt ein anderer hinkommt und die direkt übermalt?

Tom Cartus: Ja, das gibt’s auch. Ich habe das Problem selber nicht, weil ich ein hohes Ansehen in der Szene genieße. Aber ich beachte auch die Regeln. Wenn ich ein anderes Bild übermale, dann gebe ich mir viel Mühe. Wenn ich jetzt einfach nur ein schnelles Throw up darauf male, mache ich mir keine Freunde.

MedardKidz: Wie kamen Sie auf die Idee, einen Workshop zu eröffnen, damit andere auch Graffitimalerei lernen können?

Tom Cartus: Es macht mir Spaß, anderen Menschen etwas beizubringen und mit ihnen Zeit zu verbringen. Und es ist uns auch sehr wichtig, jungen Leuten mit auf den Weg zu geben, dass sie eben keine illegalen Graffiti machen. Deshalb haben wir mit dem Workshop eine legale Möglichkeit geschaffen, diese Kunst auszuprobieren und auszuleben.

MedardKidz: Wann haben das Jugendzentrum und das Graffiti-Projekt geöffnet?

Tom Cartus: Der Jugendtreff hat jeden Tag von 16-21 Uhr geöffnet. Unsere Graffiti-Werkstatt ist immer donnerstags. Da kann man einfach vorbeikommen. Dosen, Material und Schutzkleidung stellen wir.

MedardKidz: Wie kann man teilnehmen?

Tom Cartus: Man sollte zwischen 6 und 30 Jahren sein. Bei manchen Angeboten muss man sich auch vorher anmelden. Besonders bei Angeboten in den Ferien.

MedardKidz: Haben Sie Erfolg mit dem, was Sie hier machen?

Tom Cartus: Ja, wir haben großen Erfolg. Wir bekommen Rückmeldung aus ganz Deutschland, dass unsere Arbeit gut ist. Wir bekommen oft Aufträge von anderen Jugendzentren oder Firmen.

MedardKidz: Das Geld für Ihre Arbeit hier, kommt das vom Staat?

Tom Cartus: Der Staat zahlt uns die Miete, die Heizkosten und das meiste von unseren Personalkosten. Das reicht aber nicht aus. Alles andere müssen wir über Stiftungen oder Spenden finanzieren.

Das Interview führten Rafal & Dustin

Fotos: Steve, Fortune & Hanja Fröhlich